Du bist zu Rasca's Kajüte bekommen um etwas mit ihr zu besprechen. Auf dein Klopfen erhälst du keine Antwort aber die Tür schwingt ein Stückchen auf. Scheinbar war sie nicht verschlossen. Du trittst ein um nach dem Rechten zu sehen.
Der kleine Raum ist - soweit das auf einem Schiff möglich ist - behaglich zurecht gemacht. Über die Koje ist ein dunkles Tuch gespannt so das so etwas wie eine kleine Höhle entsteht.
Dein Blick wandert durch den Raum und fällt auf den Schreibtisch der Rabenkönigin. Neben ihrer Tafel und dem Kreidestein liegen dort ein paar Phiolen mit öliger Flüssigkeit und ein recht großes, beschriebenes Pergament. Deine Neugier siegt und du trittst hinter den Schreibtisch.
Es ist eindeutig Rascas Handschrift und was dort steht scheint so etwas wie ein Auszug aus einem Tagebuch zu sein.
Du weißt daß die Trollin jeden Moment zurück kommen kann und bestimmt nicht erfreut sein wird dich beim Lesen ihrer Sachen zu erwischen aber die Neugier ist stärker und du beginnst zu lesen...
Eigentlich weiß ich nicht warum ich das hier mache aber irgendjemand hat mir, glaube ich, mal gesagt daß es einen erleichtert wenn man seine Gedanken und Gefühle zu Papier bringt. Ob ich mit meiner Vergangenheit abschließen kann nur weil ich sie aufschreibe? Ich bezweifele es zwar aber ich versuche es.
Ich bin Rasca. Rasca Schattenfell, wobei ich mir den zweiten Namen selbst gegeben habe.
Zu welchem Stamm ich gehöre weiß ich nicht - und auch die nicht die mich damals fanden und aufzogen. Ich kann von ihnen nicht als meine Eltern sprechen, weiß ich doch das sie es nicht sind. Sie, die mir Nahrung gab, hat mir später mal erzählt daß sie mich in den Trümmern einens abgebrannten Haus gefunden hatte, rundherum überall Spuren der verhassten Pferdemenschen. Er, der für uns jagte, mochte mich nicht und schlug mich oft - manchmal ohne daß ich etwas getan oder gesagt hatte. Mein einziger Freund damals war eine kleine struppige Katze, die bei uns wohnte und geduldet wurde weil sie die Ratten fernhielt.
Wie auch immer, sie gaben mir Nahrung und Kleidung bis sie glaubte ich sei nun alt genug um mich um mich selber zu kümmern. Dann hetzten sie ihre Hunde auf mich während ich vor der Hütte mit der Katze spielte. Die Katze starb unter den blutgierigen Zähnen der viel größeren Tiere, ich entkam zerkratzt und zerbissen.
Damals war ich acht Sommer alt.
Ich ging in die Stadt der Orks weil man mir sagte daß es dort ein Haus für Welpen wie mich gab. Wieder erhielt ich Nahrung und Kleidung aber wieder brachte mir niemand Zuneigung entgegen. Die jungen Orkse warfen mit Steinen nach mir und gaben mir gemeine Namen, eines abend fand ich eine wunderschöne, aber sehr giftige Schlange in meinem Bett. Sie biss mich nicht und mir gelang es sie zahm zu bekommen. Als die anderen das sahen bekamen sie Angst vor mir. Sie erschlugen meine "Opal" mit einem großen Stein während ich in der Stadt unterwegs war und legten die blutigen Reste auf mein Kissen. Verständlicher Weise, so denke ich, wurde ich traurig und wütend und ging auf die anderen los.
Ich weiß nicht genau was danach passiert ist aber als ich wieder zu mir kam lag ich blutend und mit Schmerzen in einer dunklen Gasse irgendwo in Orgrimmar. Ich rappelte mich auf und suchte mir einen Platz zum schlafen. Am nächsten Morgen stand plötzlich ein großer Troll vor meinem "Zuhause" und musterte mich kritisch. Er trug dunkles Leder und roch nach exotischen Kräuter. Ich hatte Angst vor ihm, war aber gleichzeitig von ihm fasziniert da sich um sein Handgelenk eine winzige, grüne Schlange gewunden hatte.
Seinen Name nannte er mir nie aber er nahm sich meiner an und bildete mich zu einer Schattentänzerin aus. Die Schatten der Nacht und das Dunkel der Gassen wurden mein Zuhause und ich lernte mich lautlos und ungesehen zu bewegen. Irgendwann dachte er wohl ich hätte alles gelernt und verschwand spurlos.
Damals war ich zehn Sommer alt.
Ich lernte die Einsamkeit schätzen und schlug mich über die Jahre hinweg mit kleinen Gaunereien und hier und da einem "Auftrag" durch. Geld hatte ich nie und so lernte ich einen neuen Gefährten kennen - den Hunger.
Wahrscheinlich war er es auch der mich unvorsichtig werden ließ denn als ich während des Markttages in die leere Bäckerei schlich um ein Brot zu stehlen packte mich plötzlich eine schwielige Hand und ich spürte heißen Atem im Nacken. Aus den Augenwinkeln sah ich eine orkische Stadtwache, einen Grunzer, über mir aufragen.
"Hab ich dich endlich, Miststück," knurrte er und schleuderte mich zu Boden. "Jetzt zeig ich dir was wir Orks mit dreckigen, diebischen Trollen wie dir machen!"
Bevor ich wieder richtig zu mir kam hatte er seine Axt aus dem Gürtel gerissen und hieb in Richtung meines Kopfes. Wahrscheinlich habe ich der Ausbildung des Trolls zu verdanken daß ich mich blitzschnell zur Seite werfen wollte. Aber vergebens - die Axt traf meinen Hals. Zwar tötete der Schlag mich nicht aber ich wäre fast an meinem eigenen Blut erstickt hätte der Grunzer mir nicht in die Rippen getreten und mich dadurch auf die Seite gedreht. Unfreiwillig rettete er mir dadurch das Leben. Welch Ironie! Er schleppte mich, die ich blutete wie ein abgestochenes Schwein, in die Kerker und ließ mich zum Sterben liegen.
Damals war ich siebzehn Sommer alt.
An die Tage in der Zelle erinnere ich mich nur dunkel aber irgendjemand stoppte die Blutung und verband die Wunde. Sie gaben mir Wasser und dünner Brühe damit ich am Leben blieb.
Ich überlebte - und wäre am liebsten gestorben als ich merkte daß ich nicht mehr sprechen konnte. Eine Welt brach für mich zusammen. Sicher, ich hatte nie viel Gesellschaft gehabt aber ich hatte oft auf den Dächern der Stadt gesessen und für die Sterne gesungen. Nie wieder würde ich das nun können.
Eine ältere Orkin, die angeblich ihren Mann erschlagen hatte und nun für den Rest ihres Lebens hier im Kerker saß, nahm sich meiner an und zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wirklich geborgen. Sie brachte mir schreiben und lesen bei und verhinderte mehr als einmal daß ich mich selber tötete.
Eines Tages wurde sie krank und siechte innerhalb von Tagen dahin. In ihren Augen las ich ihren baldigen Tod und weinte. Sie strich mir über die Wange und sagte daß ich stark sein müsse. Dann zeigte sie mir das Loch in der Mauer das durch den letzten Regen entstanden war. Ich flehte sie mit all meinen Gesten und Blicken an mit mir zu kommen doch sie schüttelte nur lächelnd den Kopf und schob mich ins Freie.
Damals war ich zwanzig Sommer.
Und nun sitze ich hier und schreibe, was wahrscheinlich außer mir nie jemand lesen wird. Aber ich fühle mich tatsächlich besser. Die Erinnerungen schmerzen nicht mehr so und ich denke jetzt kann ich leichter in die kommenden Tage schauen. Ich habe eine Aufgabe, Leute die mir vertrauen. Und ich bin stolz darauf.
Rasca